Das Leben eines Mannes hängt von einem uralten Virus ab

In den USA machte eine Gruppe von Wissenschaftlern eine sensationelle Entdeckung. Wie Studien gezeigt haben, entwickelt sich der menschliche Embryo unter dem Einfluss eines Retrovirus, das ihn vor pathogenen Mikroorganismen schützt.

Diese Studie bestätigt die zuvor aufgestellte Theorie, dass Viren, die in die DNA eindrangen, den Anstoß für die evolutionäre Entwicklung gaben.

Endogene Retroviren gelten als Überbleibsel alter Infektionen, die die Fortpflanzungszellen von Tieren befielen und das Genotyp veränderten. Individuen, die dem Virusangriff widerstehen und überleben konnten, erben anschließend veränderte DNA und geben diese an zukünftige Generationen weiter. Experten haben festgestellt, dass endogene Retroviren etwa 9 % des Genotyps ausmachen und grundsätzlich weder Nutzen noch Schaden bringen.

Amerikanische Wissenschaftler haben in ihren Untersuchungen herausgefunden, dass in den ersten Tagen der Embryonalentwicklung das Überleben oder der Tod eines Embryos vom Vorhandensein des Retrovirus HERVK abhängt. Diesem uralten Virus verdanken die Menschen das Leben auf der Erde. Experten fanden heraus, dass HERVK die Genaktivität reguliert und vor schädlichen Mikroorganismen schützt. Joanna Wysocka und ihre Kollegen untersuchten die Aktivität verschiedener Viren in drei Tage alten menschlichen Embryonen. Das Ergebnis: Der achtzellige Embryo enthielt nicht nur elterliche DNA, sondern auch das HERVK-Virus, das als jüngstes endogenes Retrovirus gilt, das in die menschliche DNA eingedrungen ist (Experten zufolge geschah dies vor etwa zweihunderttausend Jahren).

Wie Vysotska feststellte, waren die Embryozellen buchstäblich vollgestopft mit viralen Proteinprodukten, von denen es einigen bereits gelungen war, sich zu virusähnlichen Partikeln zusammenzufügen.

Weitere Studien zeigten, dass das HERVK-Retrovirus ein Protein produziert, das den Embryo vor Angriffen anderer Viren schützt. Anders ausgedrückt: Das Virus schützt den menschlichen Embryo vor Grippe und anderen gefährlichen Krankheiten. Darüber hinaus bindet eines der vom Retrovirus produzierten Proteine an einen Teil der Ribonukleinsäure der Zelle und reguliert die Funktion der Ribosomen.

Es stellt sich heraus, dass das endogene Retrovirus für die frühe menschliche Entwicklung äußerst wichtig ist; ohne es würde der Embryo höchstwahrscheinlich in den ersten Tagen seiner Entwicklung an einem Angriff verschiedener Mikroorganismen sterben.

Joanna Wysocka und ihr Team veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Forschung in einer der renommiertesten Fachzeitschriften – Nature. Die Veröffentlichung löste umgehend zahlreiche Kommentare von Fachkollegen aus. Patrick Forterre, ein Wissenschaftler aus Frankreich, erklärte in seiner Stellungnahme, dass es den Forschern gelungen sei, das Vorhandensein eines Proteins in den frühen Stadien der Embryonalentwicklung nachzuweisen. Es ist durchaus möglich, dass diese Proteine eine wichtige Rolle in der frühen Entwicklung des Embryos spielen, doch auf dem Gebiet der Embryonalentwicklung wartet noch viel Arbeit auf die Wissenschaftler, da diese Entdeckung mehr Fragen als Antworten aufwirft.

Experten versuchen seit Jahren, den menschlichen Embryo zu erforschen. An der Oregon Health and Science University gelang es Wissenschaftlern, Stammzellen aus menschlichen Embryonen zu gewinnen. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass bald eine wirksame Heilung für Krankheiten wie Alzheimer oder Multiple Sklerose möglich sein wird.

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