Neue evidenzbasierte Leitlinien für die Behandlung von Osteoporose bei Männern

Schätzungen zufolge erleidet jeder fünfte Mann über 50 im Laufe seines restlichen Lebens eine osteoporotische Fraktur. Die Zahl der Hüftfrakturen bei Männern dürfte zwischen 1990 und 2050 um etwa 310 % steigen. Obwohl Osteoporose bei älteren Männern eine erhebliche Belastung darstellt, wird sie oft noch immer als Frauenproblem angesehen. Männer werden sogar noch häufiger unterdiagnostiziert und behandelt als Frauen.

Als Reaktion darauf veröffentlichte die internationale multidisziplinäre Arbeitsgruppe der European Society for Clinical and Economic Aspects of Osteoporosis, Osteoarthritis and Musculoskeletal Diseases (ESCEO) Empfehlungen auf Grundlage der GRADE-Methodik zur Diagnose, Überwachung und Behandlung von Osteoporose bei Männern.

Professor Jean-Yves Regenster, leitender Autor und Präsident von ESCEO, sagte: „Es ist wichtig zu erkennen, dass Osteoporose bei Männern mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität einhergeht, die mit der bei Frauen mit dieser Krankheit vergleichbar oder sogar noch höher ist.“

„Die internationale Arbeitsgruppe ESCEO wurde gegründet, um neue Empfehlungen für die Behandlung von Osteoporose bereitzustellen. Diese basieren auf den neuesten Forschungsergebnissen und aktuellen Expertenmeinungen zu Diagnose- und Screening-Ansätzen für Osteoporose und dem damit verbundenen hohen Frakturrisiko bei Männern.“

Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe umfassen die Krankheitslast, Ansätze zur Frakturrisikobewertung bei Männern, einschließlich der korrekten Interpretation der Knochendichte und des absoluten Frakturrisikos, Behandlungsschwellenwerte und therapeutische Interventionen sowie deren gesundheitsökonomische Bewertung.

In den Leitlinien wurde auch auf die Notwendigkeit weiterer Forschung hingewiesen, um die Wirksamkeit von Osteoporose-Medikamenten, einschließlich Denosumab und knochenaufbauenden Therapien, zu untersuchen.

Zu den wichtigsten Empfehlungen und Richtlinien, die für Kliniker besonders nützlich sein können, gehören:

• Zur densitometrischen Diagnose einer Osteoporose bei Männern sollte eine weibliche Referenzdatenbank verwendet werden.
• FRAX ist ein geeignetes Instrument zur Beurteilung des Frakturrisikos und zur Festlegung von Interventionsschwellen bei Männern mit Osteoporose.
• Die Schwellenwerte für eine FRAX-basierte Intervention sollten bei Männern mit Osteoporose altersabhängig sein.
• Der Trabekuläre Knochenindex liefert in Verbindung mit der BMD und der FRAX-Wahrscheinlichkeit nützliche Informationen zur Beurteilung des Frakturrisikos bei Männern.
• Bei allen Männern mit einer früheren Fragilitätsfraktur sollte eine Behandlung mit Osteoporosemedikamenten in Betracht gezogen werden.
• Das Behandlungsschema für Osteoporose bei Männern sollte auf das zugrunde liegende Frakturrisiko abgestimmt sein.
• Alle Männer über 65 Jahre sollten mit Vitamin D und Kalzium versorgt werden.
• Orale Bisphosphonate (Alendronat oder Risedronat) sind Medikamente der ersten Wahl für Männer mit hohem Frakturrisiko.
• Denosumab oder Zoledronat sind Medikamente der zweiten Wahl für Männer mit hohem Frakturrisiko.
• Bei Männern mit sehr hohem Frakturrisiko sollte eine Sequenztherapie in Betracht gezogen werden, die mit einem knochenbildenden Mittel beginnt, gefolgt von einem Antiresorptionsmittel.
• Biochemische Marker des Knochenumsatzes sind ein geeignetes Instrument zur Beurteilung der Einhaltung der antiresorptiven Therapie bei Männern.
• Knochenbildende Mittel, die als Erstlinienbehandlung bei Männern mit sehr hohem Frakturrisiko verschrieben werden, sollten gemäß den gesetzlichen Richtlinien eingesetzt werden.
• Allen Männern mit Osteoporose sollten Bewegung und eine ausgewogene Ernährung empfohlen werden.
• Bei Männern mit Osteoporose sollte im Rahmen der Vorbehandlungsuntersuchung der Gesamttestosteronspiegel im Serum bestimmt werden.
• Bei Männern mit niedrigem Gesamt- oder freiem Testosteronspiegel sollte eine Hormonersatztherapie in Betracht gezogen werden.
• Basierend auf den verfügbaren BMD-Daten gilt Abaloparatid als geeignetes Medikament der ersten Wahl für Männer mit Osteoporose und sehr hohem Risiko für osteoporotische Frakturen.

Professor Nicholas Harvey, leitender Autor und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beratungsausschusses der International Osteoporosis Foundation (IOF), sagte: „Wir hoffen, dass diese Richtlinien Kliniker in ihrer Praxis unterstützen und sie dazu ermutigen, die Osteoporose ihrer männlichen Patienten aktiv zu behandeln.“

„Wir folgen einem ähnlichen Ansatz wie dem für Frauen mit Osteoporose empfohlenen und empfehlen bei Männern mit hohem Frakturrisiko die Verwendung oraler Antiresorptiva als Erstlinienbehandlung sowie bei Männern mit sehr hohem Frakturrisiko die Verwendung knochenbildender Mittel, gefolgt von Antiresorptiva.“

IOF-Direktor Dr. Philippe Halbaut fasste zusammen: „Osteoporose bei Männern stellt eine enorme globale Belastung dar und muss dringend von medizinischem Fachpersonal und Gesundheitsbehörden angegangen werden. Als größte globale Organisation auf dem Gebiet der Osteoporose begrüßt die IOF die Veröffentlichung dieser wichtigen neuen Leitlinie. Wir hoffen, dass sie zu einer besseren Patientenversorgung beiträgt und die verheerenden Auswirkungen von Osteoporose bei älteren Männern weltweit reduziert.“

Die Arbeit wurde in der Zeitschrift Nature Reviews Rheumatology veröffentlicht.