Neugeborene, deren Mütter mehr als eine Sprache sprachen, sind empfindlicher für Geräusche

Es ist bekannt, dass Babys im Mutterleib zumindest im dritten Trimester Sprache hören und lernen. So bevorzugen Neugeborene beispielsweise bereits die Stimme ihrer Mutter, erkennen eine Geschichte wieder, die ihnen während der Schwangerschaft oft erzählt wurde, und unterscheiden die Muttersprache.

Bisher war jedoch unbekannt, wie sich entwickelnde Föten Sprache aneignen, wenn ihre Mütter mehrsprachig mit ihnen sprechen. Dies ist durchaus üblich: Weltweit gibt es 3,3 Milliarden Zweisprachige (43 % der Bevölkerung), und in vielen Ländern ist Zwei- oder Mehrsprachigkeit die Norm.

„Wir haben gezeigt, dass die Exposition gegenüber ein- oder zweisprachiger Sprache unterschiedliche Auswirkungen auf die ‚neuronale Kodierung‘ von Tonhöhen und Vokalen bei Neugeborenen hat: das heißt, wie der Fötus anfänglich Informationen über diese Aspekte der Sprache erwirbt“, sagte Dr. Natalia Gorina-Caret, Forscherin am Institut für Neurowissenschaften der Universität Barcelona und eine der Erstautorinnen der neuen Studie, die in Frontiers in Human Neuroscience veröffentlicht wurde.

„Bei der Geburt scheinen Säuglinge zweisprachiger Mütter empfindlicher auf ein breiteres Spektrum akustischer Variationen in der Sprache zu reagieren, während Säuglinge einsprachiger Mütter selektiver auf die eine Sprache eingestellt zu sein scheinen, mit der sie in Berührung gekommen sind.“

Die Studie wurde im vielsprachigen Katalonien durchgeführt, wo 12 % der Bevölkerung regelmäßig sowohl Katalanisch als auch Spanisch sprechen. Die Forscher rekrutierten Mütter von 131 Neugeborenen (darunter zwei Zwillingspaare) im Kinderkrankenhaus Sant Joan de Déu in Barcelona.

Von diesen Müttern gaben 41 % im Fragebogen an, während der Schwangerschaft ausschließlich Katalanisch (9 %) oder Spanisch (91 %) gesprochen zu haben, auch in Gesprächen mit dem heranwachsenden Fötus. Die restlichen 59 % waren zweisprachig (mindestens 20 % der Zeit in der zweiten Sprache): entweder Spanisch und Katalanisch oder eine Kombination einer dieser Sprachen mit Sprachen wie Arabisch, Englisch, Rumänisch oder Portugiesisch.

„Sprachen unterscheiden sich in den zeitlichen Aspekten der Sprache, wie Rhythmus und Betonung, sowie in der Tonhöhe und den phonetischen Informationen. Das bedeutet, dass die Nachkommen zweisprachiger Mütter wahrscheinlich in eine komplexere akustische Umgebung eintauchen als die Nachkommen einsprachiger Mütter“, sagt Dr. Carles Esera, Professor am selben Institut und einer der korrespondierenden Autoren.

Die Forscher platzierten Elektroden auf der Stirn der Säuglinge, um eine bestimmte Art elektrophysiologischer Gehirnreaktion, die Frequenzfolgereaktion (FFR), auf die wiederholte Wiedergabe eines sorgfältig ausgewählten, 250 Millisekunden langen Tonreizes zu messen, der aus vier Phasen besteht: einem /o/-Vokal, einem Übergang, einem /a/-Vokal mit konstanter Tonhöhe und einem /a/ mit steigender Tonhöhe.

„Die kontrastierenden Vokale /o/ und /a/ gehören sowohl im Spanischen als auch im Katalanischen zum phonetischen Repertoire, was ihre Wahl teilweise erklärt“, erklärt eine der Erstautorinnen der Studie, Dr. Sonia Arenilas-Alcón vom selben Institut. „Tieffrequente Töne wie diese Vokale werden zudem im Mutterleib recht gut übertragen, im Gegensatz zu mittel- und hochfrequenten Tönen, die den Fötus verzerrt und abgeschwächt erreichen.“

Die FFR misst, wie genau die von Neuronen im auditorischen Kortex und Hirnstamm erzeugten elektrischen Signale die Schallwellen eines Reizes nachahmen. Eine klarere FFR ist ein Hinweis darauf, dass das Gehirn effektiver auf die Wahrnehmung dieses bestimmten Schalls trainiert wurde. Die FFR kann beispielsweise als Maß für auditives Lernen, Spracherfahrung und musikalisches Training verwendet werden.

Die Autoren zeigten, dass die FFR für die Produktion des Lautes /oa/ bei Neugeborenen einsprachiger Mütter deutlicher, d. h. besser definiert und mit einem höheren Signal-Rausch-Verhältnis, war als bei Neugeborenen zweisprachiger Mütter.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gehirne von Föten einsprachiger Mütter gelernt haben, maximal sensibel auf die Tonhöhe einer Sprache zu reagieren. Im Gegensatz dazu scheinen die Gehirne von Föten zweisprachiger Mütter zwar für ein breiteres Spektrum an Tonhöhen sensibel geworden zu sein, ohne jedoch auf eine einzelne Sprache maximal zu reagieren. Es besteht daher möglicherweise ein Kompromiss zwischen Effizienz und Selektivität beim Erlernen von Tonhöhen.

„Unsere Daten zeigen, dass pränatale Sprachexposition die neuronale Kodierung von Sprachlauten, wie sie bei der Geburt gemessen wurden, moduliert. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der pränatalen Sprachexposition für die Kodierung von Sprachlauten bei der Geburt und liefern neue Erkenntnisse über ihre Auswirkungen“, sagte Esera.

Der korrespondierende Autor Dr. Jordi Costa Faidella, außerordentlicher Professor am selben Institut, warnt: „Aufgrund unserer Ergebnisse können wir keine Empfehlungen für mehrsprachige Eltern aussprechen. Die sensible Phase des Spracherwerbs dauert noch lange nach der Geburt an, sodass die postnatalen Erfahrungen die ersten Veränderungen im Mutterleib leicht überschatten können. Weitere Forschungen darüber, wie die zweisprachige Sprachumgebung die Lautkodierung in den ersten Lebensjahren beeinflusst, werden mehr Licht in diese Frage bringen.“