Sexualhormone bestimmen die künftige Anfälligkeit des Körpers für Krankheiten

Embryonale Zellen reagieren sehr empfindlich auf den Spiegel der Sexualhormone; ein Ungleichgewicht in Richtung Östrogen oder Testosteron in den frühen Stadien der Entwicklung kann sich nicht nur in harmlosen anatomischen Merkmalen äußern, sondern auch in der zukünftigen Veranlagung des Körpers für verschiedene Krankheiten.

Der Ringfinger von Männern ist meist länger als der von Frauen; in manchen Kulturen wird seine Länge direkt mit der männlichen Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Es stellt sich heraus, dass dieses scheinbar unbedeutende Merkmal eine ganz grundlegende Erklärung hat. Die Größe des Ringfingers hängt vom Hormonhaushalt während der Embryonalentwicklung ab, und dieser Finger allein ist nicht der einzige Faktor: Derselbe Mechanismus bestimmt höchstwahrscheinlich die Entwicklung einer ganzen Reihe von Merkmalen im erwachsenen Organismus.

Dass zwischen Sexualhormonen und der Fingerlänge eine Verbindung besteht, wurde schon lange vermutet. Forscher der University of Florida (USA) haben dafür nun erstmals eine eindeutige experimentelle Bestätigung erhalten. Experimente an Mäusen haben gezeigt, dass die Fingerrudimente von Embryonen buchstäblich vollgestopft sind mit Hormonrezeptoren, die auf Testosteron und Östrogene reagieren. Durch Kontrolle der Spiegel beider Hormone konnte die Länge des Ringfingers beeinflusst werden: Eine Erhöhung des Testosteronspiegels stimulierte die Teilung der Knochenvorläuferzellen; eine Blockierung der Testosteronrezeptoren hingegen unterdrückte sie. Die Knochenrudimente verschiedener Finger reagierten unterschiedlich empfindlich auf Sexualhormone und reagierten daher auch unterschiedlich auf deren Gehalt. Insgesamt sind 19 Gene für die Empfindlichkeit des Embryos gegenüber Testosteron und Östrogen verantwortlich.

Die Wissenschaftler planen, die Ergebnisse ihrer Experimente in der Fachzeitschrift PNAS zu veröffentlichen.

Natürlich geht es in dieser Arbeit nicht darum, den Einfluss von Sexualhormonen auf die anatomischen Merkmale zu untersuchen. Die relative Größe der Finger wurde mit allem in Verbindung gebracht: mit Aggressivität, musikalischen Fähigkeiten und der sexuellen Orientierung. Es gab Versuche, einen Zusammenhang zwischen der Fingerlänge und verschiedenen Gesundheitsproblemen zu finden, von Autismus und klinischer Depression bis hin zu Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Versagen.

Da inzwischen klar ist, dass der Hormonspiegel in der Embryonalentwicklung so langfristige Auswirkungen haben kann, dass er das gesamte weitere Leben des Organismus beeinflusst, eröffnet dies neue Möglichkeiten für die pränatale Medizin. Der Zusammenhang vieler Krankheiten mit anatomischen Merkmalen lässt sich durch hormonelle Ungleichgewichte in den frühen Entwicklungsstadien erklären, und ein rechtzeitiges Eingreifen kann das Schicksal eines ungeborenen Menschen buchstäblich verändern.

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