Die Menschheit wird vom Fleisch entwöhnt werden

Trotz des gestiegenen Interesses an proteinhaltigen Fleischersatzprodukten hat die Branche keine Eile, neue Technologien einzuführen, da klare Standards und Anforderungen für solche Produkte fehlen. Kürzlich veröffentlichte das Magazin FoodNavigator eine Sonderausgabe zu den Entwicklungsperspektiven der Fleischersatzindustrie.

Experten zufolge führt das kontinuierliche Wachstum der Weltbevölkerung zu einer stetig steigenden Nachfrage nach Fleisch und Fleischersatzprodukten.

Gleichzeitig ist es wichtig, nachhaltige alternative Proteinquellen zu finden, die nicht auf Viehzucht angewiesen sind. Welche Alternativen gibt es also?

Bereits heute gibt es auf dem Markt zahlreiche Produkte, die als Fleischersatz positioniert sind, von Soja- und Weizenprotein bis hin zu Tofu und Quorn, einem durch Fermentation aus dem Pilz Fusarium venenatum gewonnenen Mykoprotein.

Doch die stetig steigende Nachfrage nach bezahlbarem Fleischersatz erfordert die Entwicklung grundlegend neuer Ansätze und Produkte, die herkömmliches Fleisch eines Tages vollständig aus den Regalen der Geschäfte verdrängen könnten.

Zu den wichtigsten Entwicklungsbereichen der Branche zählt die Extraktion von Pflanzenproteinen, Algen, Insekten und sogar künstlichem Fleisch aus dem Reagenzglas.

Fleisch aus Gemüse

Bereits heute gibt es auf dem Markt viele pflanzliche Proteinzutaten als Fleischersatz, darunter Soja, Weizen und Erbsen.

Im vergangenen Jahr haben sich der Hersteller texturierter pflanzlicher Proteine Sotexpro und der Stärkehersteller Roquette zusammengeschlossen, um ein neues Texturierungsmittel auf Erbsenbasis zu entwickeln, das zur Herstellung eines vollwertigen Fleischersatzes verwendet werden könnte. Solbar, ein weiteres Unternehmen, bietet bereits eine Reihe pflanzlicher Proteine an, die angeblich die meisten Sorten rotes Fleisch, Geflügel, Fisch und Meeresfrüchte für die Herstellung vegetarischer Fleischersatzprodukte imitieren. Sie können auch dazu verwendet werden, die Textur und den Geschmack von echten Fleischprodukten zu verbessern.

Zusätzlich zu diesen Vorschlägen gibt es eine Reihe internationaler Forschungsprojekte zur Entwicklung pflanzlicher Proteinprodukte, die Fleisch ersetzen können.

Das von der EU geförderte Projekt LikeMeat plant, aus rohem Gemüsesaatgut Proteinprodukte herzustellen, die in Textur, Geschmack und Aroma mit tierischen Fleischprodukten identisch sind, sagt Projektkoordinator Florian Wild.

„Unser Ziel ist es, einen pflanzlichen Fleischersatz zu entwickeln, der nicht nur saftig und faserig, sondern auch lecker ist“, erklärte Wild. „Die Aufgabe unserer Gruppe ist es, einen Weg zu finden, aus Gemüsesamen ein Produkt herzustellen, das Fleisch ganz nach den Wünschen unserer Verbraucher ersetzen kann“, sagte sie in einem Interview mit FoodNavigator.

Zur Herstellung von Fleischersatzstoffen eignen sich mehrere Pflanzen, erläuterte der Forscher, vor allem Weizen, Erbsen, Lupinen und Sojabohnen.

— Wir beschränken uns bewusst nicht auf die Nutzung einer der Optionen, da manche Menschen auf bestimmte Produkte allergisch reagieren können.

Algen?

Algen sind für ihren hohen Proteingehalt bekannt – laut Wissenschaftlern bis zu 47 % des Trockengewichts. Dieser hohe Proteingehalt macht Algen zu einer der interessantesten nicht-tierischen Proteinquellen.

Aus Algen gewonnenes Protein ist deutlich günstiger als Fleisch. Die niederländische Forschungsorganisation TNO untersucht die Nutzung von Algen aus kalten nördlichen Gewässern zur Proteinproduktion. Laut den Forschern könnten diese Algen eine umweltfreundliche, reichhaltige und günstige Proteinquelle darstellen und Fleisch in der menschlichen Ernährung ersetzen.

TNO-Wissenschaftler Korstanje sprach über das in Algen enthaltene Protein Rubisco, das dank seiner strukturierenden Eigenschaften zur Schaumstabilisierung genutzt werden kann und somit ein hohes Potenzial für die Herstellung von Fleischersatzprodukten bietet.

Die Zukunft gehört den Insekten

Der Verzehr von Insekten mag für viele Kulturen selbstverständlich sein, doch westliche Verbraucher haben Vorurteile gegenüber dem Verzehr unserer sechsbeinigen Nachbarn.

Produkte aus gereinigtem Insektenprotein haben jedoch zweifellos eine große Zukunft. Die Europäische Union und mehrere nationale Lebensmittelbehörden in europäischen Ländern investieren bereits beträchtliche Mittel in die Entwicklung von Lebensmitteln mit Insektenbestandteilen.

Warum? Ganz einfach: Insekten stehen Fleisch in puncto Kalorien und Nährwert in nichts nach, enthalten aber weniger Fett und sind deutlich günstiger.

Viele Insekten sind extrem reich an Nährstoffen wie Kalzium, Eisen, Niacin, Proteinen, Kalium und Vitaminen.

Im vergangenen Jahr berichtete die britische Lebensmittelsicherheitsbehörde, dass gereinigte oder teilweise gereinigte Insekten eine effiziente und kommerziell rentable Proteinquelle darstellen könnten. Die niederländische Regierung setzt sich seit langem für die Förderung des Insektenkonsums ein.

Die Europäische Union plant, 3 Millionen Euro für die Erforschung der „Aussichten der Nutzung von Insekten als alternative Proteinquelle“ bereitzustellen.

„Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, Insekten zu essen. Erstens kann man sie im Ganzen, in einer erkennbaren Form, essen. Zweitens kann man aus Insekten Nährpulver und -pasten herstellen. Drittens kann man aus Insektengewebe gewonnene Proteine in der Lebensmittelproduktion verwenden“, erklärt Harmke Klunder von der Universität Wanningen in den Niederlanden, Leiter einer Studie zur Entwicklung von Methoden zur Lebensmittelzubereitung aus Insekten.

Viele Experten warnen jedoch, dass westliche Verbraucher wahrscheinlich auf „Hybridprodukte“ zurückgreifen müssen, bei denen einzelne Insektenbestandteile unter dem Deckmantel normaler Lebensmittel versteckt sind.

Reagenzglas-Burger?

Neben alternativen Proteinquellen besteht großes Interesse an Arbeiten zur Fleischzucht unter Laborbedingungen.

Professor Mark Post von der Universität Maastricht in den Niederlanden meint, dass die In-vitro-Fleischtechnologie dazu beitragen könnte, die steigende Nachfrage nach Fleischprodukten angesichts der wachsenden Weltbevölkerung zu decken.

Post arbeitet an einer effizienten Technologie zur Züchtung von Skelettmuskelgewebe im Labor, das normalem Fleisch völlig ähnelt und zum Kochen geeignet ist. In dieser Richtung wurden bereits einige Fortschritte erzielt.

Der weltweit erste Hamburger aus „Reagenzglas“-Fleisch soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Letztes Jahr verriet Post in einem Interview mit FoodNavigator, dass sein Team daran arbeite, einen Burger aus etwa 10.000 Rinderstammzellen zu züchten.

Um ein Stück Muskelgewebe zu züchten, aus dem man einen Hamburger machen kann, müssen sich die ursprünglichen Zellen mehr als eine Milliarde Mal teilen.

Ein unbekannter privater Wohltäter spendete 250.000 Euro für die Durchführung des Projekts. Laut Dr. Post begründete er seinen Schritt mit „Sorge um die Umwelt, der Ernährung der Weltbevölkerung und dem Interesse an Technologien, die unser Leben verändern können“.

Wenn es dem Wissenschaftler zufolge heute das Ziel seines Teams sei, kleine Muskelgewebestränge zu produzieren, so plane er in Zukunft, die Züchtung großer Fleischstücke für Steaks und Koteletts zu etablieren.

„Ich hoffe, dass meine Arbeit auf echtes Interesse bei Enthusiasten stößt und finanzielle Unterstützung von staatlichen und kommerziellen Einrichtungen erhält, sodass wir die Technologie bis zum Start der industriellen Produktion verbessern können“, sagte Post.

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