Eine Person empfindet starke Schmerzen als weniger schmerzhaft, wenn sie sofort auftreten

Schon Franklin Roosevelt schlug vor, man solle sich nur vor seiner eigenen Angst fürchten. Neuere Studien bestätigen diese Aussage: Die Erwartung schmerzhafter Empfindungen ist für den Menschen viel schlimmer als Schmerzen. Anders ausgedrückt: Selbst sehr starke Schmerzen empfindet der Mensch weniger schmerzhaft, wenn er weniger Zeit auf die Erwartung verwendet.

Klassische Entscheidungstheorien besagen, dass Menschen verzögerten Ereignissen weniger Bedeutung beimessen, d. h. der sogenannte Zeitrabatt kommt ins Spiel. Doch wenn es um Schmerzen geht, verlieren solche Theorien völlig ihre Bedeutung. Dieses Phänomen lässt sich dadurch erklären, dass Warten an sich unangenehm ist und Wissenschaftler das Warten auf Schmerzen mit Horror vergleichen.

Zu solchen Schlussfolgerungen kamen britische Wissenschaftler der Imperial University in London. Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Giles Storey führte Tests mit 35 Freiwilligen durch, die sich gegen Geld bereit erklärten, sich mit kleinen Elektroschocks testen zu lassen. Die Freiwilligen konnten selbstständig den Zeitpunkt und die Stärke der Elektroschocks wählen. Die maximale Schockkraft überschritt 14 W nicht, jeder Vorgang umfasste mindestens zwei Elektroschocks. Die Jugendlichen mussten selbstständig entscheiden, ob sie sofort 9 Schocks oder aber 6 Schocks, aber nach einiger Zeit, erhalten wollten. Die meisten Teilnehmer (71%) des Experiments entschieden sich für mehr Schocks, aber dafür sofort, anstatt qualvoll zu schmachten und auf eine unangenehme Hinrichtung zu warten. Durch Veränderung der Impulse stellten die Spezialisten fest, dass die Angst vor bevorstehenden Schmerzen mit einem vorzeitigen Schmerzeinsetzen exponentiell zunimmt.

Ähnliche Ergebnisse zeigten die Freiwilligen in einem Test, bei dem sie auf einen Zahnarzt warten mussten. Wie George Loewenstein, Professor am Carnegie Mellon College, erklärte, zeigen die Studien, dass die Angst vor schmerzhaften Empfindungen so stark ist, dass sie die Wahrnehmung von Zeitverlust völlig verändern kann. Der Wissenschaftler vermutete außerdem, dass die meisten schmerzhaften Empfindungen in unserem Leben nicht auf realen Erfahrungen beruhen, sondern auf der Erwartung und Erinnerung an diese Empfindungen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler selbst ist eine solche Studie von großer Bedeutung für die Medizin, da das Verständnis des menschlichen Umgangs mit Schmerzen für die nachfolgende Behandlung wichtig ist. Der Leiter der Forschungsgruppe, Giles Storey, ist überzeugt, dass man die Aufmerksamkeit eines Menschen nicht auf die Erwartung von Schmerzen richten sollte; es sei notwendig, die Angst vor Schmerzen zu minimieren. Die Spezialisten hoffen, dass das von ihnen durchgeführte psychologische Experiment zur Entwicklung diagnostischer Instrumente beitragen wird, da es unter Berücksichtigung der Präferenzen eines Menschen möglich sein wird, festzustellen, ob er oder sie in der Lage ist, eine gesunde Entscheidung zu treffen.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler Studien zu Schmerzempfindungen durchführen. Etwas früher vermuteten Experten, dass eine Verletzung der strukturellen Verbindungen des Gehirns die Ursache für chronische Schmerzen beim Menschen ist und dass das Auftreten dieser Art von Schmerzen möglicherweise nicht mit der zugrunde liegenden Verletzung zusammenhängt.

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