Acetylierte Cellulose: ein neues Präbiotikum gegen Gewichtszunahme durch Mikrobiota

Wissenschaftler von RIKEN haben in Zusammenarbeit mit Gruppen der Universität Tokio und der Universität Kyoto unter der Leitung von Dr. Tadashi Takeuchi in Cell Metabolism die erste umfassende Bewertung von acetylierter Cellulose (AceCel) als Präbiotikum veröffentlicht, das die Gewichtszunahme bei Mäusen durch Modulation der Darmmikrobiota und des Nährstoffstoffwechsels signifikant begrenzen kann.

Warum AceCel?

Herkömmliche Präbiotika (Inulin, Oligofructose) ernähren ein breites Spektrum von Bakterien, jedoch nicht selektiv. AceCel ist Zellulose, an der Acetylsubstituenten kovalent an 1/3 der Hydroxylgruppen gebunden sind, wodurch ein Substrat nur für bestimmte hermeneutische Bakterien, hauptsächlich Bacteroides thetaiotaomicron, entsteht, das acetylierte Bindungen spalten kann.

Versuchsaufbau

1. Zusammensetzung der Nahrung: Mäuse mit einer 60 % Fettdiät (DIO-Modell) erhielten als Ergänzung entweder 5 % AceCel, äquimolar unbehandelten Zellulosefüllstoff oder keine Zusatzstoffe.
2. Überwachung von Gewicht und Stoffwechsel: Körpergewicht, Essverhalten, OGTT und Insulinresistenzmessungen wurden 8 Wochen lang überwacht.
3. Mikrobiota: 16S rRNA-Sequenzierung des Stuhls nach 2, 4 und 8 Wochen.
4. Mechanismus: Gnotobiotische Mäuse ohne Mikrobiota wurden dann mit B. thetaiotaomicron besiedelt, mit und ohne AceCel.
5. Metabolomik und Transkriptomik von Leber und Darm: Messung von kurzkettigen Fettsäuren (SCFA), Acetat und Transkripten von Schlüsselgenen, die am Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsel beteiligt sind.

Wichtigste Ergebnisse

• Begrenzung der Gewichtszunahme: Über einen Zeitraum von 8 Wochen nahmen Mäuse mit AceCel nur 8 % ihres Körpergewichts zu, verglichen mit 30 % bei Kontrollmäusen und 28 % bei normaler Zellulose.
• Verbesserung des glykämischen Profils: AUC sank um 25 % (p<0,01), HOMA-IR sank um 30 % (p<0,05).
• Mikrobiota:
  • AceCel induzierte bis zur vierten Woche eine 10-fache Zunahme von B. thetaiotaomicron und hemmte das Wachstum von Firmicutes.
  • Gnotobiotische Experimente bestätigten, dass ohne B. thetaiotaomicron die Wirkung von AceCel verloren geht, was die entscheidende Rolle dieser Art unterstreicht.

• SCFA und Acetat-Anion:

  • Die Acetatwerte im Stuhl stiegen um 40 % (p < 0,01), die systemischen Konzentrationen sanken jedoch, was auf eine erhöhte Bakterienaufnahme hindeutet.

• Leberstoffwechsel:

  • Die Transkriptomik zeigte eine Abnahme der Expression von Gck und Pklr (glykolytische Enzyme) und eine Zunahme von Cpt1a und Ppara (β-Oxidation von Fetten).
  • Das Leberlipidprofil war durch eine 35%ige Abnahme der Triglyceride gekennzeichnet (p<0,05).

„AceCel zeigt einen neuen Weg auf, die Mikrobiota nicht nur zu ernähren, sondern sie auch dazu zu bringen, dem Wirt Kohlenhydrate zu ‚stehlen‘ und so den Energiehaushalt umzulenken“, kommentiert Dr. Takeuchi.

Sicherheit und Perspektiven

• Experimentelle Daten zeigten keine entzündliche Reaktion im Darm oder in der Leber und veränderten die Organfunktionsparameter (ALT, AST) nicht.
• Nächste Schritte: Klinische Studien am Menschen zur Beurteilung der Verträglichkeit, der Auswirkungen auf die Mikrobiota und den Kohlenhydratstoffwechsel.
• Optimierung der Zubereitung: Acetylierungsgrad, Fraktionsgröße und Kombination mit Probiotika ( Verbrauch von B. thetaiotaomicron?) sind Gegenstand weiterer Untersuchungen.

In dem Artikel machen die Autoren mehrere wichtige Bemerkungen:

• Selektivität des Mechanismus
  „AceCel weist eine einzigartige präbiotische Wirkung auf: Anstatt eine breite Gruppe von Mikroben zu ernähren, wählt es einen bestimmten Stamm von Bacteroides thetaiotaomicron aus und leitet Kohlenhydrate vom Wirt in den mikrobiellen Stoffwechsel um“, bemerkt Dr. Tadashi Takeuchi, leitender Autor der Studie.

• Die Rolle der Mikrobiota als „Konkurrent“
  „Unsere gnotobiotischen Experimente haben deutlich gezeigt, dass AceCel ohne B. thetaiotaomicron nicht funktioniert. Dies unterstreicht, dass Präbiotika möglicherweise wirken, indem sie den Wettbewerb um Nährstoffe im Darm verstärken“, erklärt Co-Autor Dr. Ikeda.

• Potenzial für den Menschen
  „Obwohl wir bei Mäusen eine starke Wirkung beobachten, ist es wichtig, die Verträglichkeit und Stoffwechseldynamik von AceCel beim Menschen zu testen“, sagt Dr. Sato. „Die nächsten klinischen Studien sollten eine eingehende Analyse der Mikrobiota und der Metabolomik der Patienten beinhalten.“

• Sicherheit
  „In unseren präklinischen Modellen gab es keine Hinweise auf Entzündungen oder Gewebeschäden im Darm oder in der Leber, was eine Begründung für die Fortsetzung der Versuche am Menschen liefert“, fügt Dr. Nakamoto hinzu.

Diese Kommentare unterstreichen, dass AceCel ein vielversprechendes Präbiotikum der nächsten Generation ist, seine klinische Umsetzung erfordert jedoch eine sorgfältige Bewertung der Sicherheit und der Wirkmechanismen beim Menschen.

AceCel ebnet den Weg für eine neue Generation von Präbiotika, die nicht nur durch die Stimulierung nützlicher Bakterien wirken, sondern auch durch die kompetitive Erfassung von Nährstoffsubstraten. Dies eröffnet die Aussicht auf eine präzise mikrobielle Nährstofftherapie bei Fettleibigkeit und metabolischem Syndrom.