Wissenschaftler: Autismus entsteht aufgrund von Umwelteinflüssen

Untersuchungen von Wissenschaftlern der Stanford University (USA) legen nahe, dass die Ursachen von Autismus-Spektrum-Störungen in den meisten Fällen nicht genetisch bedingt sind, sondern auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sind.

In letzter Zeit ist es äußerst populär geworden, die Ursache von Autismus auf fehlerhafte Gene zurückzuführen (die Tatsache, dass es Hunderte und Aberhunderte solcher Gene gibt, scheint niemanden zu stören). Diese Hypothese wird durch die offensichtliche Vererbung dieser psychischen Störung gestützt: Schätzungen zufolge wird Autismus in 90 % der Fälle zusammen mit den Genen vererbt. Die Ergebnisse einer Studie, die von Wissenschaftlern der Stanford University in der Fachzeitschrift Archives of General Psychiatry vorgestellt wurde, deuten jedoch auf das Gegenteil hin: In den meisten Fällen kann Autismus auch durch nicht-genetische Faktoren entstehen – zum Beispiel durch das Alter der Eltern, die Bedingungen der fetalen Reifung während der Schwangerschaft usw.

Wissenschaftler beobachteten Familien mit Zwillingen, die zwischen 1987 und 2004 geboren wurden. Mindestens einer der Zwillinge litt an autistischen Störungen. In 77 % der Fälle entwickelten beide Zwillinge Autismus, was nicht verwunderlich ist, da sie identische Gene tragen. Den Forschern zufolge begannen die Abweichungen von der „genetischen“ Hypothese, als sie sich zweieiigen Zwillingen zuwandten, deren genetische Anlagen einander nicht ähnlicher sind als die von normalen Kindern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten geboren wurden. Bei diesen Zwillingen lag die Übereinstimmungsrate bei 31 %. Gleichzeitig wurde in früheren Studien mit zweieiigen Zwillingen behauptet, die Wahrscheinlichkeit für Autismus bei beiden Babys sei nahezu null.

Diese Daten zwingen uns, die Rolle der Umwelt bei der Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen neu zu betrachten. Insgesamt schätzen die Autoren den Einfluss genetischer Faktoren auf die Entwicklung von klassischem Autismus und anderen autistischen Störungen (z. B. dem Asperger-Syndrom) auf 37–38 %. Folglich geben sie in 55–58 % der Fälle der Umwelt die Schuld.

Befürworter der genetischen Ursache von Autismus konnten diese „empörenden“ Daten nicht ignorieren. Der Hauptvorwurf an die Autoren war, dass sie nur dort suchten, wo das Licht war; mit anderen Worten, die Forscher beschäftigten sich hauptsächlich mit Familien, in denen beide Zwillinge autistisch waren. Möglicherweise lag dabei keine böse Absicht vor: Paare, die zweimal an dieser unverständlichen Störung litten, konnten leichter Kontakt zu Wissenschaftlern aufnehmen. Kritiker der Arbeit, die sich auch an die Zeiten erinnern, als Eltern für alles verantwortlich gemacht wurden (ihre Kälte und Nachlässigkeit, so sagen sie, führte zu autistischen Störungen), sagen, es sei wichtig, die Wiederbelebung einer solchen Sichtweise, die durch die Bemühungen von Psychologen und Genetikern so schwer zu erschüttern war, nicht zuzulassen.

Andererseits erleben wir heute das gegenteilige Bild: Jedes Niesen wird der Wirkung eines Gens zugeschrieben, und genetische Einflüsse werden als Erklärung für alles herangezogen, von politischen Ansichten bis hin zur Liebe zur klassischen Literatur. Im Grunde ist es höchste Zeit, sich an das bekannte wissenschaftliche Klischee zu erinnern, das besagt: „Dieses Thema bedarf weiterer Forschung.“

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